Ebola in
Westafrika

    Ebola in
Westafrika

Die tödlichste Pandemie?

Daniel Becker, Henning Tümmers

Im Sommer 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch von Ebola in Teilen Westafrikas zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“. Zuvor hatten örtliche Regierungsbehörden den Katastrophenfall ausgerufen. Zum ersten Mal seit seiner Entdeckung 1976 erreichte Ebola dicht besiedelte Gebiete mit Anbindung an den internationalen Personenverkehr. Die Angst vor einer Pandemie kam auf – ein Szenario, das bis dahin undenkbar gewesen war. Denn in Expert*innenkreisen galt Ebola aufgrund früherer, ausschließlich lokaler Ausbrüche nicht als eine Bedrohung für die Weltbevölkerung. Bis zum Abflachen der Infektionszahlen im Juni 2016 verbreitete sich in Westafrika der tödlichste Strang des Erregers.
 

Grenzen der Medizin? 

Nach Beginn des Ebola-Ausbruchs war in Zeitungsberichten und medizinischen Journalen immer häufiger der Begriff „Misstrauen“ zu lesen, der sich auf die moderne Medizin bezog. Die Medizin, so kritisierten internationale Beobachter*innen, zeichne sich selbst im 21. Jahrhundert durch große Wissenslücken aus. Außerdem sei aktuelles medizinisches Wissen nicht überall und für alle gleichermaßen verfügbar. Auch Mediziner*innen begannen, die Handlungsfähigkeit der eigenen Wissenschaft sowie die Wirksamkeit etablierter Gesundheitssysteme infrage zu stellen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen erklärte, „die gegenwärtige Ebola-Epidemie beweist sich als außergewöhnlicher Fall, der aufzeigt, wie langsam und inneffizient die Antwort internationaler Hilfssysteme auf akute Notfallsituationen ausfällt.“ 
 

Was bedroht uns?

Monatelang waren Expert*innen über das Ausmaß der bevorstehenden Bedrohung geteilter Meinung. Im März 2014 stellte ein Speziallabor in Lyon fest, dass die grassierenden Ansteckungen in Westafrika auf Ebola, und zwar auf die tödlichste Variante der Krankheit, zurückzuführen seien: Eine Infektion mit dem „Ebola Typ Zaire“ ende in 70 bis 90 Prozent der Fälle tödlich. Aber trotz lautstarker Warnrufe von „Ärzte ohne Grenzen“ reagierte die WHO selbst im April noch zurückhaltend. Sie publizierte zwar eine Nachricht über den Ausbruch, leitete jedoch keine weiteren Maßnahmen ein. Ihr Sprecher, Gergory Hartl, empfand die Berichte und Forderungen der Organisation als Alarmismus.

REAKTION Gregory Hartl,
Senior Communications
Advisor der WHO
Übertreiben Sie nicht. Ebola kann bis zu 90 % der Infizierten töten, und bei diesem Ausbruch beträgt die Sterblichkeitsrate weniger als 67 %.
Gregory Hartl, Senior Communications Advisor der WHO,
reagiert im April 2014 auf die Berichte der Organisation
„Ärzte ohne Grenzen“
quotes

Wer sind wir?

Der Ebola-Ausbruch in Westafrika überraschte die WHO und brachte die betroffenen Gesundheitssysteme und Hilfsorganisationen an ihre Leistungsgrenzen. Dabei hätte man erwarten können, dass diese auf das Auftreten tödlicher Viren besser vorbereitet gewesen wären. Schließlich hatte sich bereits seit den 1980er Jahren, ausgelöst durch die neuartige Immunschwächekrankheit AIDS, unter Mediziner*innen der Ausdruck „new emerging infectious diseases“ etabliert. Er stand und steht für die Wahrnehmung, derzufolge sich die Menschheit – nach einer Phase bedeutender Errungenschaften im Kampf gegen Infektionskrankheiten – und mittelbar auch die Medizin erneut in einem Zeitalter von Epidemien und beschränkter medizinischer Handlungsmacht befindet.

Collage "World Health Organization Executive Board Room" mit Ebolaviren

Was brauchen wir?

Wie bei allen anderen Infektionskrankheiten galt es, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung des Virus so schnell wie möglich zu verhindern. Hierbei zeigte sich, dass unter diesem massivem Zeitdruck etablierte Instrumente des Seuchenschutzes wie die Einrichtung von Quarantänelagern oftmals an lokalen Bedingungen scheiterten. Gleichzeitig forderten Kritiker*innen traditioneller Gegenmaßnahmen die Öffnung der westlichen Biomedizin gegenüber alternativen Wissensbeständen. Vor Ort beklagten einige den mangelnden Kontakt zu medizinfremden Disziplinen wie der Ethnologie und Anthropologie oder zu lokalen Heiler*innen. Gerade aber sie seien nötig, um den Kontakt zwischen der misstrauischen westafrikanischen Bevölkerung und ausländischen Helfer*innenn herzustellen und Vertrauen in das Handeln von medizinischem Personal zu schaffen. Im Rahmen von Sensibilisierungsmaßnahmen versuchten Regierungen und internationale Hilfsorganisationen auf die Bedrohung durch Ebola hinzuweisen. Denn trotz früherer, meist lokal begrenzter Ausbrüche war die Infektionskrankheit in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. 

Banner auf einem Auto in Monrovia (2014).
Auf dem Banner ist zu lesen: „Ebola is here. Let’s stop the spread of Ebola“ /
„Ebola ist hier. Lasst uns die Verbreitung von Ebola stoppen!
BILD Aufklärungskampagnen
in der Bevölkerung

Ein Ebola-Sensitivierungs-Team der WHO, UNICEF und anderen Organisationen nutzt im September 2014 mit Lautsprechern ausgestattete Fahrzeuge, um die zum Teil skeptische Bevölkerung von Monrovia (Liberia) über die reale Bedrohung durch Ebola zu informieren.

Was tun wir?

Nachdem zunächst Furchtbotschaften wie „Ebola kills“ die betroffenen Gesellschaften stark verunsicherten, arbeitete die WHO ein Konzept für eine zielgruppenspezifische Ansprache der Bevölkerung aus. Dieses sollte die Aufmerksamkeit auf Ebola lenken, zugleich aber auch Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, die es den Menschen erlaubten, sich selbst durch Hygienemaßnahmen zu schützen. Diese Kampagnen waren in Teilen erfolgreich, aber konnten den fast drei Jahre andauernden Ausbruch der Krankheit nicht verhindern. Nachdem die Gesundheitsbehörden am 9. Juni 2016 keine Neuinfektionen in den betroffenen Gebieten mehr registrierten, erklärte die WHO die Epidemie für beendet. Nach offiziellen Angaben hatten sich bis dahin 28.646 Menschen infiziert, 11.323 waren verstorben.

Was folgte, waren intensive Diskussion von Expert*innen über eine Reform des globalen Seuchenschutzes. Dies betraf ein engmaschigeres Frühwarnsystem und die Stärkung regionaler Außenstellen der WHO. Außerdem sollten Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden. Schließlich werden derzeit Konzepte entwickelt, um die medizinische Grundversorgung und den Katastrophenschutz von Programmen der Entwicklungshilfe zu entkoppeln. Dahinter steht die Vision eines sich gegenseitig unterstützenden Versorgungssystems aller Staaten.

Ein Mitarbeiter der amerikanischen CDC (Centers for Disease Control
and Prevention) überprüft die Körpertemperatur einer Person,
bevor diese Zutritt zu einem öffentlichen Gebäude erhält (Monrovia, 2014).
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