Heutige Historiker*innen beobachten im Rückblick, wie sich im 10. Jahrhundert politische Identitäten regionalisierten. Während bis etwa 900 fast ganz West- und Mitteleuropa zum sogenannten Frankenreich (regnum Francorum) gehörten, bezeichnete das Wort Francia um 1000 herum nur noch den Herrschaftsbereich des französischen Königs in der Île-de-France um Paris. Regionen wie Aquitanien, Burgund oder Katalonien gingen politisch eigene Wege. Hier hatte der König in der Praxis kaum noch Bedeutung. Im ehemaligen Ostfrankenreich, das Teile des heutigen Deutschlands umfasste, entwickelte sich ein eigenständiges Königtum.
Zur gleichen Zeit entwarfen Mönche mit der sogenannten „dreigeteilten Ständeordnung“ ein neues Idealbild der Gesellschaft. Sie bezogen sich dabei auf ein älteres Gesellschaftsmodell, das bis dahin aber nicht bestimmend gewesen war. Die Mönche wiesen darin allen Mitgliedern der Gesellschaft unterschiedliche Aufgaben und einen festen Platz innerhalb der gottgewollten Ordnung zu. Für sie bestand diese Ordnung aus drei Ständen: aus jenen, die beteten (Geistliche), jenen, die kämpften (Ritter), und jenen, die arbeiteten (Bauern).
Rechts: Das geteilte Frankenreich nach den Verträgen von Verdun und Ribemonet um 879/880.
Hintergrund: Kaiser Otto III. (980-1002) ist in dieser um 1000 entstandenen Zeichnung mit Repräsentanten der geistlichen und weltlichen Macht dargestellt. Neben dem Modell der Drei Stände blieb auch die Zweiteilung der politischen Ordnung in ein geistliches und weltliches Element wichtig